Donnerstag, 22. November 2012
Der verschämte Stuhlgang
Bei meiner Arbeit gibt es jemanden, der morgens immer zwischen 10 und 11 Uhr mal so richtig muss. Ist ja schön, wenn der Körper so regelhaft seinen Bedürfnissen Ausdruck verleiht. Menschen, die mit sich im Reinen sind, werden ihre Kreationen halt immer zur gleichen Zeit los. Allerdings frage ich mich Folgendes: Wenn doch jemand mit sich im Reinen ist, warum verrichtet er sein Geschäft so still und heimlich? Ich meine, ist doch nichts dabei, die Erzeugnisse können doch ruhig laut ins Wasser klatschen, Pupsgeruch geht in der sonstigen Geruchsbelästigung völlig unter und was ist schon peinlich an dem Geräusch kratzenden Klopapiers über die Öffnung allen Übels?
Gerade eben musste ich mal Pinkeln. Es gibt ein Pissoir und ein Klo. So ein Klo mit Tür zum drüber und drunter gucken (theoretisch). Keinerlei Geräuschhemmung versteht sich. Und was höre ich?
Stille. Nein, nicht ganz. Ich höre Gedanken.
„Warum nur kommt gerade jetzt hier einer rein? Wer ist denn das schon wieder? Vielleicht bemerkt er mich nicht, wenn ich mich ganz still verhalte? Mich nicht bewege, nicht atme, bloß nicht pupsen! Hoffentlich fällt nichts runter, abputzen kann ich ja später noch, der geht bestimmt gleich wieder. Aber was mache ich, wenn der wartet? Wenn ich doch nur zu Hause gegangen wäre, aber ich konnte nicht mehr aushalten, ich muss doch immer zwischen 10 und 11.“
Ich habe so schnell gepinkelt wie ich konnte. Mir ganz schnell die Hände gewaschen. Bin raus.
Und habe das Licht ausgemacht, war ja keiner da.
Nein, natürlich nicht. Aber ich habe einen kurzen Augenblick drüber nachgedacht. Ich wette, Kacktzwischen10und11 hätte nicht gerufen. Der dachte, ich hätte ihn nicht bemerkt. Vielleicht hätte er sich dann sogar gefreut. Der Herr Fahrdienstleiter.

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