Freitag, 12. Oktober 2012
Nasse Straßen
Draußen regnet ist. Klar, ist ja Oktober. Die Straße wird nass. Die Erde auch. So weit vorhanden.
Das ist keineswegs selbstverständlich. Straße, Erde und Leute werden ja nicht nur nass, wenn es regnet. Es könnte ja auch eine Feuerwehrübung gegeben haben. Und vielleicht wären dann die Leute im Gegensatz zu Straße und Erde gar nicht nass geworden, weil sie vorher Deckung gesucht hätten. Logik. Ich liebe Logik. Wenn dann. Worte wie möglich, wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich, sicher, ziemlich sicher, unwahrscheinlich, möglicherweise. Toll, was Sprache so kann. Ich war schon ziemlich alt, als mir ein Logikforscher erklärte, dass es nicht geregnet haben muss, wenn die Straße nass ist. Aber dass es geregnet haben kann oder sogar wahrscheinlich geregnet hat. Da saß ich mit großen Augen und neuen Perspektiven und konnte plötzlich Logikrätsel lösen, die bis dahin unlösbar waren.
Vielleicht ist es ein wenig irritierend, dass ich da nicht fünf, sechs oder sieben Jahre alt war, sondern bereits das Gymnasium besuchte. Es verwundert wohl nicht, dass ich an jenem Ort nicht gut zurecht kam, hat sich gegen Ende der Gefangenschaft aber gebessert.
Viele Kinder können sich ganze Welten ganz alleine aufstoßen, manche muss man durchs Tor schubsen und bei anderen kann man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, was natürlich auch niemanden weiterbringt (über dem eigenen Kopf, natürlich nicht über dem der Kinder, ist ja wohl klar…). Und dann wandern sie doch plötzlich wie von Zauberhand auf einigermaßen vernünftigen Wegen. Der Unterschied zwischen Kellerassel und Wissenschaftler kann manchmal an einem einzigen Satz zur richtigen oder falschen Zeit hängen. Vielleicht ist aber auch das nur eine Frage von Wahrscheinlichkeit. Ziemlich sicher sogar.

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Montag, 3. September 2012
Hierarchie.
Hierarchie

Ich stoße immer wieder gegen sie. Das reimt sich, ist aber trotzdem nicht gut. Als sei sie ein unsichtbarer Berg. Sie der Eisberg und ich die Titanic und beim Ertrinken denke ich immer wieder: „Wo kam die denn jetzt schon wieder her???“.
Gibt es wirklich so etwas wie Eigenschaften, Marotten eines Volkes? Mir gefällt es eigentlich nicht, aber es gibt schon typisch deutsche Sachen. Vielleicht nicht nur deutsch. Eben die Hierarchie-Liebe. Bei wissenschaftlicher Arbeit habe ich tatsächlich festgestellt, dass sowohl Forschung als auch Forscher aus unterschiedlichen Ländern höchst unterschiedlich mit Hierarchie umgehen. Angelsachsen sind definitiv sehr viel individueller als Europäer und gestehen anderen auch mehr Individualität zu. Ein deutscher Professor würde niemals mit einem fremden Kongressteilnehmer sprechen, so er sich nicht sicher ist, einen einigermaßen gleichrangigen Kollegen vor sich zu haben. Der sagt ja nicht einmal Hallo. Brrr. Für einen Professor aus Harvard oder eine Professorin aus Oxford ist das überhaupt kein Thema (ich kenne Tausende von Professoren aus Harvard und Oxford. Wenn nicht alle...)
Ungarische oder polnische Forscher sind genau so buckelnd wie Deutsche, vielleicht sogar noch buckelnder, dafür sind sie höflicher. Ukrainer neigen nach meiner Erfahrung deutlich mehr zum Widerspruch und Zweifeln als Russen. Ist doch komisch, oder?
Götz Aly hat sehr schön herausgearbeitet, dass es in Deutschland seit dem 19. Jh. einen deutlichen Hang zur Ablehnung von Individualität gab. Liberalismus, Demokratie galt nicht dem Individuum sondern der Klasse. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern. Von der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ließ man bei den deutschen Revolutionären genau wie in Russland die Freiheit einfach weg. Wichtig war das Volk, nicht der Mensch.
So viel zur Aufklärung.
Wir nagen immer noch daran, ist doch der Sinn von Universität und Schule heute komplett auf Ausbildung von Humankapital reduziert. Nach Humboldt sollte sich das Individuum (heraus)bilden und so automatisch das Beste für sich und damit die Gesellschaft leisten. Es lässt sich wohl weniger sagen, dass dieser Ansatz gescheitert ist, als viel mehr gescheitert worden ist.
Ich komme darauf, weil ich im Kindergarten heute wieder so einen Spruch hörte. (Zu einem Kind) „Du brauchst dir keine Gedanken um die anderen machen, das machen wir, wir sind schließlich Erwachsene“. Das Kind war mein Sohn und er hat nicht verstanden, warum es ein Privileg der Erwachsenen sein soll, sich um andere zu sorgen. Ich habe es auch nicht verstanden. Erwachsen zu sein ist keine Kompetenz. Professor zu sein ist keine Kompetenz, wenn manche das auch glauben mögen. Man wird nicht mit 18 klug. Und mit einem Titel auch nicht. Für manchen wäre es sehr viel einfacher, klug zu werden, wenn die anderen einen dabei mit ihrem Schmarrn einfach in Ruhe ließen.

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Dienstag, 5. Juni 2012
Der Geek-Test
Ich habe den Geek-Test gemacht. Also eigentlich habe ich ihn schon zum zweiten Mal gemacht, weil ich vergessen hatte, wie mein Ergebnis war. Ich kann diesen Test jedem empfehlen, der sich selbst seltsam findet. Manchmal erkennt man, dass man zwar wirklich komisch ist – aber andere auch nicht anders sind. Vielleicht sogar noch seltsamer. Andererseits – wenn man so richtig seltsam ist – will man vielleicht gar nicht, dass andere seltsamer sind. Naja, wer weiß.
Mein Ergebnis: Major-Geek :-).
Nach diesem Urknall der Selbstfindung habe ich bereits einschlägige Online-Warenhäuser für Leute wie mich ausfindig gemacht. Ich gehöre anscheinend zu einer seltsamen Spezies, deren Selbsterkenntnis der eigenen geekmäßigen Seltsamkeit anderen Leuten zu ihrem Lebensunterhalt dient. Man benötigt schon eine ganze Menge geekmäßiger Seltsamlinge, die auf Roboterwanzen, Lichtschwerter und, ja wirklich, auf Taschenschoner stehen, um damit Geld verdienen zu können. Als Major-Geek steht man übrigens nicht auf Taschenschoner.
Taschenschoner – das sind so Plastikhüllen, die man sich in die Brusttasche ärmelloser Hemden stecken kann, um darin vierfarbige Kulis und anderen Kleinkram zu verstauen. Damit das Hemd weder fleckig noch beschädigt wird. Das wird es schließlich schon beim Essen. Und beim Unterhalten. Denn ein richtiger Geek kleckert und hat auch schon beim Lachen gespuckt. Hallo? Hat das denn nicht jeder? Das ist ja so, als ob man sagte, ausschließlich Geeks pupsen im Bus. Klar, auf die eine oder andere Art ist jeder seltsam, der im Bus fährt, aber die machen ja auch keinen Geek-Test. Und pupsen tut jeder. JEDER! Auch Frauen. So was…

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Montag, 12. Dezember 2011
Alienkinder
Bei uns zu Hause wohnt ein Alien. Es ist vier Jahre alt, bezeichnet sich selbst als Meeresexperten, quasselt den lieben langen Tag in einem entfernt an Japanisch und Englisch erinnernden Kauderwelsch und erfindet Worte wie Pupspuster und Regenrinnenlachs. Morgens sehe ich immer nur den klagenden Blick, mit dem sich das Alien in den Kindergarten verabschiedet, um dort verzweifelt zu versuchen, mit den Anwesenden zu kommunizieren, die jünger sind als fünfundzwanzig. Dann denke ich, oh du armes Alien, es wird nicht besser werden. Nicht in den nächsten fünfzehn bis sechzehn Jahren.
Weil es nur wenige Aliens auf diesem Planeten gibt, ist es recht schwierig, andere zu treffen. Von der Liebe will ich mal gar nicht sprechen. Da heißt es durchhalten und Augen auf.
Aber überall tummeln sich stumpfsinnige Haifische, tumbe Pantoffeltierchen und eitle Amöben. Und sie alle halten sich für besser, schlauer, stärker und fitter als das Alien. Neben der Eitelkeit ist wohl die Selbstüberschätzung der nervigste menschliche Zug und offenbar kann man gar nicht früh genug damit anfangen, diesbezüglich Kompetenzen zu erwerben. Und dann kommt da noch das elende Gefängnis für alle Aliens mit grausamen Insassen und gnadenlosen Wärtern, welches man Schule nennt. Als ich damit fertig war, sank ich auf die Knie, rief meinen Schöpfer an und dankte für die erfolgreiche Flucht. Heute muss ich versuchen, dem Alien dieses Gefängnis schmackhaft zu machen. Ganz schön übel.

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Montag, 7. November 2011
underachievers please try harder
Ich bin ein Underachiever und zwar von ganzem Herzen. Underachiever sind Leute, die, obwohl mit Hirn gesegnet oder gestraft, chronisch unter ihren Möglichkeiten bleiben. Das mit dem Hirn ist natürlich so eine Sache. Schließlich wird der Doofe nie wissen, dass der andere klüger ist. Da Doofe empirisch erwiesen nicht klug sind, überschätzen sie sich. Vielleicht bin ich also gar kein Underachiever, sondern ein wenig kluger Doofer. Das hoffe und glaube ich natürlich nicht. Aber das liegt ja wieder in der Natur der Sache. Jetzt könnte ich mich natürlich damit beruhigen, nur so vor Selbstkritikfähigkeit zu strotzen. Underachiever neigen zu Selbstkritik, wohlmöglich sogar zu übertriebener Selbstkritik. Oh ja, da kann ich ein Lied von singen! Doofe Leute sind chronisch unselbstkritisch. Die meisten sehr erfolgreichen Menschen, die ich kenne, halten auch nicht sonderlich viel von Selbstkritik. Man gucke sich nur mal Politiker oder Unternehmensberater an. Jetzt liegt Erfolg natürlich im Auge des Betrachters. Wer auch immer den da hingelegt hat. Da in unserer Gesellschaft Erfolg vor allem mit Geld gleichgesetzt wird, oder mit Berühmtheit, bin ich bislang nicht sonderlich erfolgreich. Jedenfalls bedingt Selbstkritik die Fähigkeit, sich ständig zu verbessern. Es bedingt aber auch die Fähigkeit, sich selbst im Weg zu stehen. Sich zu verzetteln. Ich verzettele mich liebend gern. Überall in unserer Wohnung liegen spannende Zeitungsfetzen und aufregende Bücher herum, ständig stolpert man über die hier lebenden Nerds und Geeks, die sich auf dem Boden niedergelassen haben, um sich Dingen zu widmen, von denen sie Momente vorher noch gar nicht wussten, dass sie da sind. Okay, es sind nur zwei erwachsene Nerds und Geeks und ein Vierjähriger mit einem ziemlich morbiden Humor. Und Nerds sind wir auch gar nicht, dafür reichen die Computerkenntnisse definitiv nicht aus. Wir haben aber eine große Star Trek-Sammlung!
Wie man auch an diesem Eintrag merkt, kommen solche Underachiever wie ich zu selten zu einem sinnvollen Abschluss, trudeln mal hierhin und dahin, je nachdem von wo der Wind bläst. Manchmal frage ich mich, ob ich auch etwas anderes als ein Underachiever hätte werden können. Hm. Unerfreulich. Na, vielleicht auch nicht.
Ist es nicht das Schwierigste im Leben herauszufinden, wer man ist? Was man ist? Seltsamerweise kenne ich furchtbar viele Leute, die längst sind, was sie immer sein wollten. Nämlich langweilig. Auch wenn ihnen das nie bewusst war. Ich dagegen war schon mit achtzehn total langweilig. Mittlerweile haben mich die anderen überholt. Und wenn sie mal ein bisschen Dope rauchen, halten sie sich wieder für Rebellen. Hausbesitzende Kaminrebellen. Da bleibe ich doch lieber Wohnraum mietender Underachiever.

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